Gruitbier: das Urbier aus Kräutern

Gruitbier oder Grutbier ist ein Bier, das mit Kräutern versetzt ist. Bis in die Neuzeit hinein war es in Europa die weitverbreitetste Biervariante. Die Grut, eine Kräutermischung, diente zur Würze und Gärung.

Die Bezeichnung Grutbier bezieht sich heutzutage entweder auf historische Kräuterbiere oder auf gegenwärtige Biere, die mit Kräutern versetzt sind. Sie enthielten und enthalten je nach Zusammensetzung auch Hopfen. Es gab verschiedene Grutmischungen. Typische Pflanzen für die Mischung waren beispielsweise Gagel, Porst, Lorbeer, Wacholderbeeren, Holunder oder Anis.

Gerne verwenden Liebhaber des Grutbiers den Begriff Urbier in dem Zusammenhang, da es lange vor dem Hopfenbier existierte. Bier mit Kräutern, Pflanzen und Gewürzen zu versetzen, war und ist eine Methode, die sich über die ganze Welt erstreckt. Kräuterbiere sind in Afrika und Asien ebenso überliefert wie in Europa.

Im Zuge der Neuzeit setzte sich in Europa und vor allem in Deutschland das Hopfenbier gegenüber dem Grutbier durch.

Das Bier des Mittelalters

Grutbier war im Mittelalter in den Niederlanden, Belgien, England, Schottland und Norddeutschland das vorherrschende Bier. Die ersten Erwähnungen von deutschem Grutbier in historischen Quellen reichen zurück ins 10. Jahrhundert. Aber auch die Germanen erwähnten schon Kräuterbier. Historiker vermuten, dass sich Grutbier von Skandinavien aus ab dem 5. Jahrhundert nach Westeuropa verbreitete.

Rund um die Grut entwickelte sich Handwerk und das Grutrecht. Die Sammlung, Aufbereitung und Trocknung der Kräuter war ein eigener Handwerkszweig bei der Herstellung von Grutbier. Die Brauer waren verpflichtet, nur die vorgegebene Grut zu kaufen und zu nutzen. Der Grutherr war für die Überwachung der Grut zuständig und vergab die Rechte ebenso wie die Grut. Mit der Zuteilung von Grutrechten und der Kontrolle von Gruthäusern entwickelte sich das Geschäft rund um Grutbier zu einem wichtigen regionalen wirtschaftlichen Faktor.

Grutbiere schmecken je nach Zusammensetzung der Grut unterschiedlich. Abhängig von den gewählten Kräutern haben sie einen bitteren oder würzigen Geschmack. Die Gärung führt zu einem leicht säuerlichen Aroma. Neben der Grut beeinflusst die Herstellung den Geschmack. Denn die Grut kam je nach Methode während der Würzekochung, der Gärung oder der Reifung hinzu.

Die Zusammensetzung der Kräuter war regional unterschiedlich. Daher sind neben Grutbier auch die Bezeichnungen Gagel und Porst für diese Biervariante geläufig. Dabei beziehen Gagel und Porst sich dann speziell auf die pflanzlichen Inhaltsstoffe.

Des Grutbiers Tod: das Reinheitsgebot

Im Vergleich zu den Grutbieren war auf Hopfen basierendes Bier haltbarer und günstiger. Ab dem 14. Jahrhundert begann sich Hopfenbier in Deutschland zu verbreiten.

Die beiden Biervarianten existierten bis in die Neuzeit nebeneinander, bis das Reinheitsgebot zum Niedergang des Kräuterbiers in Deutschland führte. In Bayern beispielsweise waren bis dahin Grutbiere unter den Bezeichnungen Greuzenich oder Gräussing bekannt.

Mit dem Deutschen Reinheitsgebot von 1516, erlassen von den bayerischen Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig X., begann der Niedergang von Kräuterbieren. Zunächst galt die Beschränkung von Bieren auf die Brauzutaten Gerste, Hopfen und Wasser nur für das Herzogtum Bayern. Die neue Verordnung führte dazu, dass Grutbiere in Bayern nicht mehr produziert werden durften.
In anderen Regionen hielten sich Grutbiere länger, bis das Reinheitsgebot 1906 deutschlandweit zum Gesetz wurde. Ab da an war mit Kräutern versetztes Bier aufgrund der nicht erlaubten Zutaten verboten.

In Ländern wie Belgien oder Niederlande blieb Gruitbier erhalten, verlor aber während der Neuzeit durch den Siegeszug des Hopfens an Bedeutung.

Münster als Vorreiter

In der Gegenwart gibt es in Deutschland verschiedene Brauhäuser wie die Lahnsteiner Brauerei, die sich wieder dem Kräuterbier widmen. Die Lahnsteiner Brauerei in Rheinland-Pfalz produziert vielfältige Biervarianten, unter denen Grutbier nur eines ist.
Eine bekannte Gruthaus-Brauerei leitet Philipp Overberg in Münster. Er versucht, Traditionen wiederzubeleben und neue Grutbiere zu entwickeln.

Das Dubbel Porse genannte Grutbier beruht beispielsweise auf rekonstruierten historischen Münsteraner Rezepten. Eine der Zutaten für die Grut ist Gagel. Die Pflanze war im Mittelalter einer der verbreitetsten Bestandteile für Grutbiere. Heute steht sie in Deutschland wegen ihrer Seltenheit unter Schutz, sodass sie aus Schottland importiert wird.

Eine weitere bekannte Vertreterin deutscher Grutbiere ist Pia Morgenroth mit der Marke G.broi, deren Biere in Berlin und Sachsen entstehen. Bei diesen ist die Bezeichnung Kräuterbier passend, da sie Brennnessel oder Schafgarbe enthalten und auf Hopfen verzichten.

Grutbier in der Gegenwart

Im Gegensatz zu Deutschland hat das Grutbier als Kräuterbier in anderen Ländern nie aufgehört zu existieren. Vor allem in den Niederlanden, Belgien und den USA gibt es weiterhin Brauereien, die Grutbier produzieren.
Unter Bierliebhaber setzt eine Rückbesinnung und Anerkennung alter Biervarianten ein. So initiierten Interessierte und Hobbybrauer den International Gruit Day, der jährlich am 1. Februar stattfindet. Zunächst war der vor allem ein Anlass, um auf Treffen oder über Social Media über Grutbier zu diskutieren. Mittlerweile beteiligen sich Brauereien an Veranstaltungen anlässlich des Gruit Days.

Da Grutbier nicht den in Deutschland geltenden Biergesetzen entspricht, gilt es als Craft Bier. Für das Brauen von Bieren, die nicht dem deutschen Biergesetz entsprechen, sind Sondergenehmigungen nötig. Diese sind bürokratisch und finanziell aufwendig, sodass manche deutsche Grutbiere im Ausland produziert und dann wieder nach Deutschland importiert werden.
Das einzige Bundesland, das keine Ausnahmen zulässt, ist Bayern. Hier wird sich in nächster Zeit keine Grutbier-Brauerei ansiedeln.

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