Im Juni und Juli finden weltweit Christopher Street Days und Pride Festivals statt. Sie feiern queere Menschen und demonstrieren für Gleichberechtigung und gegen Ausgrenzung.
Schatten in der Geschichte und Verfolgung
Gleichberechtigung für queere Menschen wirkt wie ein modernes Thema. In der historischen Überlieferung beginnen Homosexualität und queere Menschen erst spät an „zu existieren“. Nach der griechischen Antike scheinen solche Lebensentwürfe mit dem Siegeszug des Christentums in Europa nahezu aufgehört zu haben. Eher gültig ist jedoch die Aussage, dass sie verschwiegen wurden oder Historiker sie bis in das 19. Jahrhundert ignorierten. Das Christentum stellte beispielsweise bis in die Moderne hinein homosexuelle Menschen als Sünder dar und verursachte bei queeren Personen Verschwiegenheit.
Im 19. Jahrhundert galt Homosexualität im Deutschen Reich als verboten und rechtlich bestrafbar. An Gleichberechtigung war lange nicht zu denken. Zumal mit dem Nationalsozialismus eine Politik einsetzte, die queere Menschen verfolgte und tötete. Ein trauriger Vorteil, den Frauen aus ihrer langen Benachteiligung ziehen konnten: Die staatlich organisierte Verfolgung und Bestrafung homosexueller Menschen bezogen sich vor allem auf Männer. Nach der Nazizeit stand Homosexualität mit dem fragwürdigen Paragraphen 175 bis in die 90er-Jahre zumindest rechtlich unter Strafe.
Weltweit haben queere Personen mit Anerkennung zu kämpfen. Die Idee, Homosexualität als Krankheit zu verstehen, lehnte die internationale Gesundheitsorganisation WHO erst 1990 ab. Erst 2022 trat in Kraft, dass die WHO Transgeschlechtlichkeit nicht mehr als psychische Störung einstufte. Der Weg zur juristischen Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer Lebensweise ist für queere Menschen noch lange nicht abgeschlossen.
Von der Ehe für alle zur Blutspende
Seit den 2000er-Jahren erlangten queere Menschen in Deutschland Stück für Stück mehr Rechte auf ihrem Weg zur Gleichberechtigung. Ab 2001 war es möglich, eine Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen. Aber diese gewährte nicht die mit der Ehe verknüpften Rechte. Aspekte wie die Anerkennung der Elternschaft oder Steuervorteile des Ehegattensplittings mussten sich homosexuelle Paare weiterhin rechtlich erstreiten.
Ein großer Meilenstein war die Ehe für alle seit 2017. Gerade für Familien mit Kindern eröffneten sich vereinfachte Möglichkeiten der Adoption. Beide Ehepartner können seitdem das Kind zeitgleich adoptieren und die rechtliche Situation des Kindes ist besser abgesichert. Wie relevant das Thema abseits des Ziels von Gleichberechtigung von Menschen ist, zeigen die über 30.000 gleichgeschlechtlichen Ehen in Deutschland.
Was bisher im deutschen Recht nicht geändert wurde, ist das Abstammungsrecht. Es geht immer noch von einer verschiedengeschlechtlichen Elternschaft aus und ordnet das Kind rechtlich nur Vater und Mutter zu. Damit sind gleichgeschlechtliche Familien und Kinder aus diesen benachteiligt. Der momentane Justizminister Buschmann versucht, das Abstammungsrechts zu ändern und zu erweitern.
Auch beim Thema Unterstützung beim Kinderwunsch haben gleichgeschlechtliche Paare einen Nachteil: Krankenkassen übernehmen beispielsweise nicht die künstliche Befruchtung für lesbische Paare. Eine weitere große rechtliche Baustelle ist das Selbstbestimmungsgesetz, das Bezug auf den Geschlechtseintrag nimmt und immer wieder überarbeitet wird.
Dass homo- und bisexuelle Männer von Blutspenden bis 2022 ausgeschlossen waren, zeigt deren Diskriminierung. Blut zu spenden ist homosexuellen Männern mittlerweile erlaubt, aber bisher nur, wenn sie vier Monate lang keine sexuellen Kontakte hatten. Warum stellen die sexuellen Kontakte bei heterosexuellen Menschen ein geringeres Problem dar? Ist der entscheidende Punkt nicht der ungeschützt ausgeübte Sex? Wieso müssen queere Menschen für eine Blutspende Fragen zu ihrer Geschlechtsidentität oder ihrer sexuellen Orientierung beantworten? Diese Fragen stellt sich auch der Gesundheitsminister Lauterbach, der einen Änderungsantrag für das Transfusionsgesetz gestellt hat. Ziel ist, allen Menschen unabhängig von Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung zu ermöglichen, Blut zu spenden.
Übergriffe und Diskriminierung queere Menschen im Alltag
In Europa streben zahlreiche Länder das Ziel der Gleichberechtigung queerer Menschen durch viele rechtliche Änderungen an. Aber in der Welt gibt es noch eine zu große Zahl von Staaten, in denen Homosexualität sogar unter Todesstrafe steht. Die aktuell geänderten Gesetze in Uganda sind ein Beispiel für Rückschritte. Dort ist „schwere Homosexualität“ jetzt mit dem Tod bestrafbar.
Der Blick auf unsere polnischen oder ungarischen Nachbarn macht es nicht besser. In Ungarn beschränkt ein Gesetz Informationen zu Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit. Mit dem Argument, Kinder zu schützen, sind queere Menschen aus Werbung und Aufklärung verbannt. Konservative Strömungen versuchen auch in Deutschland, queere Lebensentwürfe aus dem Alltag zu verbannen. Beispielsweise wäre aus ihrer Sicht ein Sexualkundeunterricht, der alle Formen von Sexualität und Geschlechter thematisiert, fragwürdig.
Dass queere Menschen in Deutschland immer noch Diskriminierung oder gar Übergriffen ausgesetzt sind, zeigten Statistiken zu Straftaten. 2021 stiegen die Übergriffe aufgrund der sexuellen Orientierung an. Gerade bei der Wahrung der Vielfalt und Toleranz gilt es auch in Deutschland queer-feindlichen Strömungen eine klare Position entgegenzusetzen. Umso mehr sind Events wie der CSD zu unterstützen und zu feiern.
Zu den größten Events in Deutschland rund um den Christopher Street Day gehört die Cologne Pride. Auch eher als konservativ geltende Städte wie München haben eine große und aktive LGBTQIA+ Community. So groß, dass die Pride Week in der bayerischen Landeshauptstadt aufgrund der hohen Teilnehmerzahl auf den Juni vorverlegt wurde. In Deutschland ist noch viel für die queere Gleichberechtigung zu tun, doch die gute Nachricht lautet: Es gibt viele Menschen und Institutionen, die sich dafür einsetzen. In meine Touren erfahren Sie mehr.