Dies ist die klassische Inszenierung von John Cranko aus dem Jahr 1965, die seit 1972 in München getanzt wird. Tschaikowski selbst kannte dieses Ballett gar nicht. Er hatte zwar die Oper Eugen Onegin komponiert – basierend auf dem Roman von Alexander Puschkin -, doch Cranko hat die Geschichte neu als Ballett choreografiert. Die Musik wurde dafür aus verschiedenen Orchester- und Klavierwerken Tschaikowskis von Kurt-Heinz Stolze neu zusammengestellt und orchestriert.
Hinter mir meinte einer in der Pause: „Das ist richtig nett – so ein kitschiges Bühnenbild, nicht so modernes Zeug.“ Es gab zwar Waffen – im Wald kam es zu einem Duell – aber sie wurden nicht gegen das Publikum gerichtet, und die Szene blieb fast schemenhaft. Die beiden Kontrahenten standen am hinteren Ende der Bühne, fast wie Schatten. Nur der Knall war deutlich zu hören – und reichte völlig. Offenbar hatte man 1965 noch kein Interesse daran, das Publikum an den Anblick von Waffen zu gewöhnen.
Handlung
Die Handlung ist einfach. Tatjana verliebt sich in Onegin, aber er hat kein Interesse an ihr. Ganz frech flirtet er mit Olga, Tatjanas Schwester – woraufhin deren Verlobter Lenski ausrastet und Onegin zum Duell fordert. Lenski stirbt.
Zehn Jahre später, Tatjana ist längst verheiratet, bereut Onegin, dass er sie in jungen Jahren verschmäht hat, und versucht sie zu erobern. Das geht so hin und her, die Musik wird immer dramatischer, bis Tatjana ihn schließlich endgültig hinauswirft.
Bühnenbild
Das Bühnenbild ist wunderschön.
Zuerst sieht man den Garten eines großen Anwesens, wo sich die Mädchen vergnügen. Alles ist in schönen warmen Tönen gehalten. Die Kleidung der Mädchen ist im Biedermeier-Stil – Pastellfarben, Puffärmel, Schleifen und Blumen im Haar. Bei jedem Szenenwechsel erscheint ein durchsichtiger Vorhang, hinter dem sich das Bühnenbild verwandelt.
Die zweite Szene zeigt Tatjanas Schlafzimmer. Danach folgt ein prunkvolles Fest in einem Ballsaal, schließlich das Duell im dunklen Wald bei Vollmond.
Zehn Jahre später erneut ein Ball – mit schwungvollen Tänzen. Die Tänzerinnen tragen nun Mieder und weite Röcke, weiterhin in zarten Pastelltönen.
Kostümzauber?
Im letzten Akt tanzte Tatjana in ihrem Boudoir mit Onegin in einem roten Kleid. Bei der Verbeugung erschien sie jedoch in einem braunen Kleid. Wie hat sie das geschafft, sich so schnell umzuziehen? Aber warum wechselt sie plötzlich ihr Kleid? Aus der Ferne war nicht sofort klar, dass es immer noch Tatjana war – die Tänzerinnen sind schließlich so ausgewählt, dass sie alle gleich aussehen.
Nachklang
Frühere Inszenierungen haben etwas Tröstliches. Sie sprechen auf eine Weise, die der politisch leidgeplagten Seele guttut – ohne viel zu sagen.
Trailer (ca. 1 min): https://www.youtube.com/watch?v=PP_7NdrJhjk